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26/05/2025
Artikel von

Roxana Razaghi
Social Media Managerin

Zwischen Effizienz und Ethik: Unser Umgang mit KI.

Impulse zur neuen Realität mit KI im Agenturalltag

Seit Februar 2024 nutze ich generative KI fast täglich – und sie hat meinen Arbeitsalltag radikal verändert. Ob Recherche, Projektstruktur oder Ideenfindung: Alles geht schneller, oft auch besser. Was früher einen halben Tag dauerte, gelingt nun in zwei Stunden. In der Agenturwelt, in der Effizienz zählt, fühlt sich das wie ein Segen an.

Doch eine unbequeme Frage bleibt: Was kostet uns dieser Fortschritt wirklich?

Energieverbrauch im Dunkeln

Immer wieder hört man: Eine ChatGPT-Anfrage verbraucht zehnmal mehr Energie als eine Google-Suche. Doch dieses oft zitierte Beispiel stammt aus dem Jahr 2023 und basiert auf veralteten, spekulativen Daten – selbst der ursprüngliche Autor Alex de Vries hat dies mittlerweile relativiert. Und: Auch Google-Suchen sind heute KI-gestützt. Der Vergleich hinkt.

Das wahre Problem ist nicht die konkrete Zahl, sondern die fehlende Transparenz. Die großen Tech-Konzerne geben kaum Auskunft über Energieverbrauch oder Emissionen. Ausgerechnet bei einer Technologie, die unsere Arbeitswelt revolutioniert, bleiben wir im Dunkeln.

Effizienz trifft Verantwortung

Ein interner Praxisvergleich zeigt: Mit KI sparen wir in der Recherche- und Konzeptionsphase oft mehr als 50 % der Zeit. Das ist in Zeiten wachsender Anforderungen und knapper Budgets ein echter Vorteil – oft der Unterschied zwischen Überlastung und Innovation, zwischen Burnout und kreativer Balance.

Doch mit jeder digitalen Bequemlichkeit wächst auch unsere Verantwortung. Nicht nur KI, auch Cloud-Nutzung, Videostreaming oder endloses Scrollen vergrößern unseren digitalen Fußabdruck. Die Debatte um Nachhaltigkeit darf sich daher nicht allein auf KI konzentrieren – sie ist Teil eines größeren, digitalen Gesamtbilds.

Manchmal erinnert unser Verhalten im Netz an den alten Irrglauben, Luft sei „nichts“. Heute wissen wir, dass sie aus lebenswichtigen Elementen besteht. Ähnlich übersehen wir oft die materiellen Spuren unseres digitalen Handelns. Wenn wir Stromkosten nicht direkt spüren, glauben wir, sie seien irrelevant – doch irgendjemand zahlt immer: sei es lokal, in Form von Ressourcenverbrauch, oder global, durch Umwelt- und Klimabelastungen.

Kreativität im KI-Zeitalter

KI-generierte Bilder und Texte sind längst Teil des kreativen Alltags – schnell, günstig, flexibel. Doch das bringt auch Risiken: weniger Aufträge für Fotograf:innen, Illustrator:innen und andere Kreative. Die Lösung liegt nicht im Verzicht, sondern in einer klugen Kombination.

KI-Visuals können zur Inspiration dienen – als Grundlage für Moodboards oder erste Ideenentwürfe für Kund:innen. Auch in der Konzeptionsphase liefert KI wertvolle Impulse, ersetzt aber nicht den kreativen Prozess: Es braucht menschliche Auseinandersetzung, Bewertung, Weiterdenken. Kreativität bleibt Handwerk.

Dafür braucht es mediale Kompetenz: ein Verständnis dafür, wie Inhalte entstehen, woher sie stammen, welche Verzerrungen sie enthalten – und wann sie schlicht falsch oder veraltet sind. Sonst wird aus Information schnell Irreführung.

Weder Ablehnung noch Euphorie

KI komplett abzulehnen wäre genauso unreflektiert wie ihre unkritische Akzeptanz. Was wir brauchen, ist ein differenziertes Denken. Bewusste Nutzung. Menschliche Aufsicht. Und: echte Transparenz von den Unternehmen, die diese Technologien entwickeln und betreiben.

Wenn KI, dann müssen wir einen bewussten Umgang damit pflegen: 

1. Modellwahl nach Aufgabenkomplexität

2. Batching & Aufgabenbündelung

3. Bewusstes Prompt-Design

Fazit: Die neue Realität gestalten

Wir stehen am Anfang eines tiefgreifenden Wandels. KI ist weder gut noch böse – sie ist das, was wir aus ihr machen. Je schneller sie Teil unseres Alltags wird, desto wichtiger ist ein offener, ehrlicher Diskurs über ihre Auswirkungen.

Mit Mut zur Ambivalenz. Und mit dem Bewusstsein, dass Verantwortung nicht nur bei den Entwicklern liegt – sondern bei uns allen.

Roxana Razaghi präsentierte diese Inhalte im Rahmen von The New Real beim Designmonat Graz 2025, einem Programm der Creative Industries Styria.

Illustration Credit: Roxana Razaghi
Bilder Credits: Martin G. Wanko, Gerhard Kroell